Tragen oder Kinderwagen?

von Svenja Höse

Säuglinge sind Traglinge

Babys entwickeln sich 9 Monate lang im Mutterleib ganz nah bei der Mama, haben 24 Stunden am Tag intensiven Körperkontakt. Nach der Geburt verändert sich vieles. Doch wieviel Körperkontakt braucht mein Kind? Wie kann ich das Bedürfnis des Getragen-werdens und für die Bindung am besten erfüllen, und was hat es für Folgen, wenn ein Kind hier einen Mangel erfährt? All das erfährst Du in meinem Blogartikel. Zusätzlich bekommst du eine tolle und einfache Tragetuchtechnik, damit einem kuscheligen Tragen nichts im Wege steht.

 

…eng ist es im Bauch, schaukelnd werde ich getragen.

Wärme und Nähe, ich muss nicht danach fragen.

Ich mache mich auf dem Weg in die Welt,

kalt, laut, bin nicht sicher ob es mir gefällt.

Da, ganz nah und vertraut,

nackt auf Mamas Haut.

Ja- so gefällt es mir,

ganz nah bei dir.

Bitte lass das niemals enden,

du darfst all deine Liebe und Wärme an mich verschwenden.

So werde ich groß – gesund und zufrieden.

kann mit Vertrauen und mit Sicherheit das Leben lieben.“

Svenja Höse

Babys brauchen Nähe und Sicherheit

Man liest es oft- Babys sollen ganz nah bei Einem sein, sie brauchen den Körperkontakt, trage dein Baby.

Doch was heißt das überhaupt? Ich habe doch auch gelernt, früh im eigenen Bett zu schlafen, ich lag doch auch im Kinderwagen und wurde durch die Welt geschoben. Trösten beim Weh tun? Ach, ein Indianer kennt keinen Schmerz. Kinder muss man auch mal schreien lassen, das stärkt die Lungen und sonst verwöhnt man sie zu sehr.

Sicher geistern bei dir auch solche „Glaubenssätze“ in deinem Kopf herum. Sie stammen aus unserer eigenen Kindheit, wir haben sie mit auf den Weg bekommen, sie wurden nie hinterfragt, man hat es halt so gemacht, weil alle es so gemacht haben. Aber sie haben uns geprägt. Und sie machen verdammt unsicher.

Da liegt also dieses Würmchen, dein eigenes Kind. Du entwickelst unbändige Gefühle für dein Baby, du willst das Beste für dieses zarte Wesen. Tief im Inneren spürst du, du möchtest dein Baby nicht mehr loslassen, es Halten und Tragen, es beschützen vor all dem Schrecklichen auf der Welt. Deine Intuition zeigt dir den richtigen Weg, und doch höst du Stimmen in dir oder sogar von Aussen, sogar von deiner eigenen Familie. “ du verwöhnst das Kind noch“ , „geh halt nicht bei jedem Quäcks hin“ , „im Familienbett kann dein Kind ersticken“ das Kind muss früh lernen selbst einzuschlafen.

Früher war alles anders…

Früher, in der Zeit unserer Eltern, Großeltern und Urgroßeltern waren viele Ansichten anders. Das kam daher, das dort weniger die Bedürfnisse des Kindes relevant waren, sondern die zeitlichen und örtlichen Gegebenheiten. Es gab viele Kinder zu versorgen, es musste gearbeitet werden, das Geld war knapp. Das Kind hatte also in diesem Zusammenleben zu funktionieren. Wer also früh allein im Bett einschlief raubte niemandem die Zeit sich um das Kind zu kümmern. Wer brav im Kinderwagen auf dem Feld daneben stand störte nicht beim Arbeiten. Wer lernte, seine Gefühle und Bedürfnisse zu unterdrücken und zu lernen, das Warten oder auch ein ganz wichtiger Wunsch für einen selbst nicht auf das weite Interesse in der Familie stöst, der war brav und zeigte Anstand, hatte Benehmen und war gut erzogen.

Vielleicht sagst du nun- ja, aber wir sind doch auch groß geworden. Ja, das bist du. Ich auch, und viele meiner Generation und das meiner Eltern und Großeltern auch. Aber manchmal erkennt man doch die Probleme, die diesen damals üblichen Erziehungsstil mit sich bringen.

Da sind die Überängstlichen, die große Ängste mit sich tragen, sei es vor der Dunkelheit, vor dem Alleinsein oder Ähnlichem. Wer als Kind im dunklen Zimmer im eigenen Bett Ängste durchlebt hat, schreien musste und irgendwann kapitulieren musste, weil niemand kam und ihn tröstete, der hat unbewusst das Urvertrauen verloren und es können im Erwachsenenalter Ängste entstehen, die aus dieser Zeit herrühren.

Da sind die Bindungs-Phobiker, die Leute, die von Beziehung zu Beziehung hüpfen, sich nicht auf einen Partner einlassen können, immer in Habachtstellung sind, unsicher, jemandem anderen zu vertrauen. Auch dieses Verhalten kann aus den frühen Erfahrungen der eigenen Kindheit herrühren.

Da sind die Kontrollfreaks, die mit ihrem Kontrollzwang sich selbst, aber auch ihr nahes Umfeld massiv beeinflußen, und versuchen, immer die Kontrolle zu behalten – das, was ihnen in der frühen Kindheit nicht möglich war, nie gegeben wurde.

Zeiten ändern sich

Zum Glück gab es über die letzten Jahre einen großen Wandel. Die Wissenschaft und Forschung befasste sich immer mehr mit dem Thema Bindung.

Unser ganzer Erziehungsstil wandelt sich zunehmend in das bedürfnissorientierte Handeln. Was braucht mein Kind um rundum glücklich und zufrieden aufzuwachsen. Was kann ich tun, damit mein Kind wirklich alles bekommt, was es braucht.

Liebe, Nähe, Körperkontakt, Sicherheit, Urvertrauen.

Eine weise Hebamme hat einmal zu mir gesagt- Ein Kind braucht ganz viel Liebe und ein klein wenig Konsequenz um gut und gesund aufzuwachsen.

Da ist etwas dran. Ein Neugeborenes ist auf der großen Welt ausserhalb des Mutterleibs völlig verloren. Es braucht uns – zur Ernährung, zum Windeln, zum Wärmen, aber vorallem auch zum Kuscheln, Liebe erfahren, Nähe und Körperkontakt bekommen.

Es gibt viele Studien darüber, was mit einem Menschen passiert, der zwar alle körperlichen Grundbedürfnisse wie Essen und Trinken, Kleidung und ein Bett zum Schlafen bekommt, aber jegliche körperliche und geistige Zuwendung fehlt. Der Mensch kann daran versterben oder zumindest schwerste Entwicklungsstörungen erfahren.

Mir schmerzt es in der Seele, wenn ich sehe, wieviele Kinder immer noch schreien müssen, wieviele Kinder immernoch allein im Bettchen schlafen müssen- weil irgendwelche schlauen Autoren darüber mal ein Buch geschrieben haben, mittlerweile aber selbst nicht mehr zu ihrer eigenen Ansicht stehen. Wie es immer noch oft heißt, ach, der muss doch groß und stark werden, nicht so ein Weichei.

Viele Eltern uneins

Manchmal ist es auch so, das die Mama gerne mehr kuscheln, tragen, lieben würde, doch die Familie oder sogar der eigene Partner dagegen steht. Warum stillen- die Flasche ist doch praktischer, ausserdem hat es bei mir auch nicht geklappt. Warum im Bett bei uns schlafen, das stört nur meinen Schlaf. Trag das Kind nicht so viel, sonst wird es nur ein verwöhntes Gör.

Ich kann diese Familien nur bemitleiden und bin soo froh, das ich mit meinem Mann einen Partner gefunden habe, der genau die gleichen Ansichten hat. Wir tragen unsere Kinder, wir kuscheln so viel wie es geht, wir erfüllen ihnen soviele Bedürfnisse wie möglich.

Körperkontakt ist ein elementares Bedürfnis.

Wie Essen und Trinken, Schlafen, Auf Toilette zu gehen, sich zu waschen ist Körperkontakt elementar. Es MUSS erfüllt werden um sich gesund zu entwickeln.

Ich arbeite tagtäglich mit unterschiedlichsten Familien. Doch das wichtigste, was ich den Familien mitgebe ist – ein Kind kann mit Liebe nicht verwähnt werden. Baue soviel Urvertrauen wie möglich auf, dann wird dein Kind sich zu einer starken und selbstbewussten Persönlichkeit entwickeln.

Unsere Kinder sind alle 3 sehr selbstbewusste Personen. Sie können nein sagen, sie können sich unbekannten Situationen stellen, sie trauen sich sehr viel zu, weil sie immer die Sicherheit haben- ich bin ok, so wie ich bin und ich werde rund um geliebt.

Manchmal anstrengend

Ja, es ist manchmal anstrengend, wenn dir ein 7-jähriges Mädchen lautstark entgegen plärrt, wie sie die Welt gerade sieht. Ja, es ist schwierig, mit einem 9-jährigen zu diskutieren, warum bestimmte Dinge im Leben – wie Hausaufgaben – einfach gemacht werden müssen. Ja, es ist manchmal frustrierend, wenn der Kleine immer noch nur mit Mamas Brust einschlafen kann, auch wenn das manchmal sehr lange dauert. Manchmal stehe ich daneben, und seufze und könnte verzweifeln. Doch dann weiß ich – ja, genau diese Persönlichkeiten werden es später mal leichter haben. Sie können lieben, sie können streiten, sie wissen aber immer, sie sind gewollt und richtig. Sie können sich zur Wehr setzen, sollte einmal eine Notsituation auftauchen. Sie können selbstständig durchs Leben gehen, sie bekommen aber immer Hilfe und haben unseren vollkommenen Rückhalt. So sollte Elternliebe und die Beziehung zum Kind sein.

Ja, DU darfst deiner Intuition folgen.

Die Natur hat es bewusst so eingerichtet. Ein Kind fordert viel, da es genau weiß, das es ohne uns Eltern und Bezugspersonen keine Chance hätte zu überleben.  Im Gegenzug dazu entwickeln wir durch das Liebeshormon Oxytocin eine tiefe Bindung zu unserem Kind. So sorgt die Natur dafür, das das Kind gut versorgt wird trotz Schlafmangel, anstrengendem Alltag und eigenen Bedürfnissen.

In der Natur funktionierts

Schaust du die Naturvölker an, kannst du sie zum Vorbild nehmen, wie ein Kind zufrieden aufwächst. Dort wird ein Kind immer getragen – wenn die eigene Mutter gerade nicht kann findet sich immer einer im Dorf, der diese Rolle übernimmt. Dort liegt ein Kind immer nahe eines Erwachsenen zum Schlafen – in der freien Natur wäre es viel zu gefährlich. Dort werden Kinder lange gestillt, natürlich stehen dort gute und ausreichende Nahrungsmittel nicht so zur Verfügung, wie bei uns, aber stillen ist nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern auch wieder Körperkontakt und Bindung. Dort muss kaum ein Kind schreien – warum auch, es hat die Sicherheit, das alle Bedürfnisse zeitnah erfüllt werden.

Manches mag dir in unserem Alltag schwierig vorkommen. Manches funktioniert in dieser Form vielleicht auch nicht so in der westlichen Welt. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, deinem Kind soviel Körperkontakt, Nähe und Sicherheit zu schenken, wie es geht.

Bonding und Aufbau des Urvertrauens

Geniese die Zeit des Wochenbettes. Lege dich soviel wie möglich kuschelnd mit deinem Baby ins Bett.

Trage dein Baby möglichst häufig nahe am Körper. Unter meinen Tutorials findest du eine leichte Tragetuchanleitung zum Nachmachen.

Aber auch andere Tragehilfen sind gut, damit dein Kind nahe bei dir sein kann.

Erfülle deinem Kind zeitnah alle Grundbedürfnisse. Wenn dein Kind Hunger hat, stille oder füttere es. Warte nicht, bis dein Kind einen gewissen Abstand zwischen Nahrungszeiten eingehalten hat. Halte dein Kind nahe bei dir, auch wenn du mit der Flasche fütterst.

Lasse dein Kind bitte niemals allein im Bettchen schreien. Dein Kind weiß nicht, ob du wiederkommst und vorallem wann. Es weiß nicht, wann 10 Minuten um sind. Es verzweifelt, es durchlebt Ängste und schließlich wird es kapitulieren, denn es lernt, das keiner kommt und ihm hilft. So zerstörst du das Urvertrauen. Es ist eines der schlimmsten Dinge, die du deinem Kind antun kannst und ich bitte dich wirklich, es nicht zu tun. Stelle dir vor, ich setze dich alleine im dunklen Wald aus und du rufst um Hilfe, aber keiner kommt. Eine Horrorvorstellung. Und trotzallem wird es regelmässig unseren kleinen wehrlosen Kindern angetan.

Wie war es bei mir

Alle drei Kinder durften soviel kuscheln, wie sie und wie wir wollten und konnten. Alle drei wurden lange gestillt ( unser jüngster tut es immer noch). Und alle drei wurden ausgiebigst getragen. Jeder hatte sein eigenes Tragetuch als Baby, das war mir ein Bedürfnis. Und ich kann nur sagen – unsere Kinder mussten alle wenig weinen, sie schliefen alle nah bei uns, und es waren trotz den häufigen Stillmahlzeiten nachts ruhigere Nächte, da ich nicht aufstehen musste, keines der Kinder wegen Hunger schreien musste und ich direkt auf sie eingehen konnte.

Unser Kinderwagen war fast nur Deko, denn wir haben ihn kaum verwendet. Es war mit Tragetuch einfach vieles praktischer. U-Bahn fahren, Einkaufen in der Stadt, selbst Putzen und Staubsaugen geht mit Tuch einfach leichter, wenn das Kind nicht nebenbei auf der Krabbeldecke Radau machen muss.

Ich kann dich nur bestärken- geniese diese nahe und intensive Zeit mit deinem Baby. Sie geht so schnell vorbei und irgendwann wird sie dir fehlen. Und all das was du deinem Baby gibst, kriegst du so intensiv zurück. Und du kannst dir sicher sein, du wirst deinem Kind für sein ganzes Leben etwas gutes tun.

Ich freue mich, wenn du mir deine Erlebnisse erzählst und wie die Babyzeit für dich war oder ist. Schreibe dazu gerne.

Alles Liebe

Deine Svenja

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Svenja Höse

Kinderkrankenschwester, Heilpraktikerin
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