Kindliche Dominanz – Elterliche Toleranz

von Svenja Höse

Kinder bereichern das Leben… immer?

Wenn du Kinder hast, dann kennst du sicher solche Situationen mit deinem Kleinkind in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen:

Das Kind spielt versunken am Boden, du stellst liebevoll geschnittene Apfelstückchen auf den Tisch und rufst – verzückt über das so liebevoll spielende, liebste Kind der Welt – ob es denn etwas essen mag von deinen so gesunden Äpfeln. Das Kind spielt immernoch seelenruhig, du rufst nochmal mit glockenheller Stimme voller unbändiger Liebe. Nachdem dein liebstes und unvergleichlich tollstes Kind immer noch nicht hört gehst du zu ihm hin, hälst ihm regelrecht den Apfelteller unter die Nase, und bittest noch einigermassen höflich zu Tisch. Dein Ein und Alles springt nun endlich auf, flitzt zum Tisch und greift nach ein – oder am besten gleich zwei Apfelstücken und will schon wieder zum Spieleteppich flitzen. Doch dein Plan einer perfekten Erziehung sieht vor, dass das Kind nur am Tisch isst und nicht dabei rumläuft. Ohoh, schon geht es los. Dein Kind versucht nun seine eigenen Pläne umzusetzen, das Spiel wartet, das Äpfelchen kann auch dort gegessen werden und überhaupt, Erziehung – Was ist das? Schon entartet dein entzückendes, kleines Zauberwesen zu einem regelrecht trotzenden und brüllenden, zähnefleischenden Monster, das mit immer lauter und dominanter werdendem Brüllton unmissverständlich nicht nur dir, sondern auch konsequenterweise der ganzen Nachbarschaft, dem ganzen Ort und sicherheitshalber auch der halben Welt mitteilt, was es von deiner ach so tollen Idee, Essen nur am Tisch sitzend zu verspeisen hält. Im Gegenzug dazu versuchst du in ellenlangen, erklärenden Fachsimpeleien zu erklären, was du aus schlauen Erziehungsratgebern gelernt hast, und das es doch soo viel toller wäre, wenn das Kindlein mit am Tisch sitzt, und das es doch so gefährlich sei, mit Essen rum zulaufen und die Brösel am Boden und überhaupt.

Und alles, was bei deinem Kind ankommt ist ein fröhlich gesäuseltes Blabla, denn es hat ja zum einen mit seinem Trotzanfall zu tun, zum anderen muss ja noch auf dem Weg zum Spieleteppich das Apfelstück fertig gekaut und geschluckt werden.

Anderes Beispiel. Wenn wir unterwegs sind, trinken wir aus einer Trinkflasche zusammen. Jeder von uns 5en nimmt die Flasche so an den Mund, das der Flaschenrand über der Oberlippe anliegt und man sozusagen das Wasser in eine Richtung aus der Flasche saugt – oneway-drinking sozusagen.:-) So wird vermieden, das das Wasser genüsslich in den Mund, und mit all seinem Inhalt wieder in die Flasche zurückschwappt, und schließlich keiner mehr davon trinken will wegen sämtlichen sich dann in der Flasche befindlichen Speise- und Speichelresten. Unser Jüngster hat allerdings konsequent andere Ansichten und versucht jedesmal (und damit meine ich JEDESMAL), die Flaschenöffnung komplett in den Mund zu nehmen. Ich sage, nein, trinke bitte richtig, er nein, so wie ich will, ich wieder nein, richtig, und so geht das Ganze dann also stundenlang so weiter bis einer nachgibt.

Die liebe Entwicklung

Und hier liegt ein faktisch entwicklungstechnisches Problem. Ein Kleinkind entwickelt sehr (seeehhhrrr) gute Fähigkeiten, seine Wünsche und Bedürfnisse ausdauernd und konsequent durchzusetzen.

Du hast also nun zwei Möglichkeiten. Die einfachste Lösung ist, nachzugeben – ach, dann ess doch auf dem blöden Teppich, trink doch so wie du willst. Folge – das Kind ist happy und du bist erleichtert, das endlich Ruhe einkehrt, und das das in deiner Vorstellung bereits informierte Jugendamt und die Polizei kurz vor deiner Wohnungstür wieder umkehrt und der Tinnitus in deinem Ohr wieder nachlässt.

Doch ein weiteres Gefühl kommt direkt umgehend just in dieser Sekunde dazu: Du bist frustriert und wirst mit allen deinen hochwissenschaftlich festgelegten eigenen Erziehungswünschen in Zukunft noch mehr Schwierigkeiten haben, diese umzusetzen. Warum? Weil Kinder noch sehr lernfähig sind. Unsere kleinen, zauberhaften, wunderbaren und liebevollen Geschöpfe sind nicht dumm. Mutti sagt nur jein wenn ich aufstehen will mit meinem Essen? Gut, dann klappt das das nächste Mal auch, wenn ich auf der Couch hupfe, obwohl sie es nicht will, oder ich nicht nur auf das Blatt male, sondern auch den Tisch darunter schön verzieren will.

Klare Regeln braucht das Land…äh Kind.

Der andere Weg ist – konsequent sein. Wenn das Kind also rumlaufen will mit dem Essen wird das Kind entweder an den Tisch gesetzt, auch hochgradig trotzend und strampelnd, oder es gibt eben jetzt kein Essen, dann kann es spielen. Folge – es wird laut werden, es wird anstrengend werden, das Kind wird vielleicht toben und wüten. Das ist für uns Eltern kurzzeitig seehr viel anstrengender und nervenaufreibender. Aber was passiert? Das Kind wird lernen, mist, die Mama meint es Ernst. Offensichtlich steht sie zu ihrem doofen Wort, das nur am Tisch gegessen wird, gut, dann werde ich mich ab jetzt immer zum Essen an den Tisch setzen.

Ehrlicherweise muss ich aber dazu sagen, es gibt Kinder, die das sehr schnell akzeptieren und umsetzen können, und andere, die jedesmal intensiv ihre Grenzen und deine Regeln austesten. Optimalerweise wird dein Kind aber auf diesem Weg mit der Zeit verstehen, das du deine Regeln ernst meinst, und es keine Abweichungen gibt.

Aus eigener Erfahrung weiß ich – es ist verdammt hart. Vorallem dann, wenn du nicht alleine mit deinem Kind bist, sondern dieses Kindchen in der Öffentlichkeit meint, deine Regeln/seine Grenzen austesten zu müssen. Schnell ist man geneigt nachzugeben. Ja zusagen, obwohl man es garnicht will. Und ich bin immer wieder erstaunt, wie schnell sich das Gefühl einschleicht, das meine Meinung und Ansicht als Erwachsener weniger Wert sei, als das eines 2-jährigen Ministeppkes.

Warum macht ein Kind das?

Zum einen handelt ein Kind in den ersten Jahren bedürfnissorientiert. Seine eigenen Bedürfnisse und Ansichten sind immer ICH-Bezogen, es kann noch nicht wahrnehmen und vorallem aufnehmen, das wir selbst, andere Kinder oder wer auch immer eigene Bedürfnisse hat und diese genauso seine Berechtigung haben. Zum anderen will ein Kind lernen, die Welt entdecken, erleben, verstehen. Jedes Nein, und sei es noch so schützend und behütend gemeint, steht diesem kleinen Weltenforscher ersteinmal im Weg. Es kann noch nicht über Konsequenzen nachdenken, weil es diese noch nicht kennt. Es denkt noch nicht an später, an die Zukunft, sondern an jetzt.

Wenn dein Kind also beim Überqueren der Straße nicht stehen bleiben will, weiß es noch nicht, dass das gerade kommende Auto wirklich gefährlich ist, das du es nur gut meinst, es schützen willst. Sondern seine Pläne, nun auf die Straße zu rennen werden durchkreuzt, seine Bedürfnisse erst einmal eingeschränkt. Und das wühlt auf, wandelt kleine putzige Kinder zu Trotzzwergen und die Wut über diese Abhängigkeit muss kräftig rausgeschrien und -gestampft werden.

Dazu kommt, das das Sprachvermögen oft noch nicht so komplex ist. Während ich sagen kann, „hey, mein Ziel ist es aber nun mit meinem schicken Schneeanzug und den tollen Moonboots in das 3 Grad kalte Wasser zu springen, weil das Wasser so schön blau schillert und ich verstehe nicht, warum du was dagegen hast, Mama“ können viele Kinder in dem Alter häufig noch nicht deutlich sprechen, was unglaublich frustriert. Das Gehirn und das Denken ist weiter, als die Sprache. Wer schon mal im Ausland war und versucht hat, sich mit Einheimischen zu verständigen, die kein Deutsch oder Englisch verstehen, weiß, wie sich das anfühlt, und das man sich einfach nicht verstanden fühlt. ( Zum Glück schmeißen wir uns nicht mehr auf den Boden und trotzen, doch der ein oder andere Fluch kommt uns da auch schnell auf die Lippen)

Also wie ist nun der richtige Weg?

Naja, Erziehung ist immer Versuch und Irrtum, es gibt tausend Möglichkeiten und Ansichten. Aber was ich dir persönlich raten kann ist – überlege dir, wie dein Kind sich in bestimmten Situationen verhalten soll. Welche Regeln du hast. Und dann sei wirklich konsequent in der Umsetzung. Lässt du auch nur einmal locker (im Beispiel oben, das Kind darf mit Essen herumlaufen), dann stelle dich darauf ein, das diese Grenze wieder längere Zeit ausgetestet wird.

Halte es aus, wenn dein Kind trotzt. Es macht das nicht um dich zu ärgern, es ist frustriert und wütend, das musst du als Elternteil aushalten können. Danach tröste dein Kind, zeige, das du es liebst so wie es ist. Und wenn du selbst wütend bist, erkläre deine Gefühle deinem Kind.

Sei ein Vorbild. Kinder lernen von dir als Bezugsperson. Ein Kind kann Regeln viel leichter umsetzen, wenn du es ihm vorlebst. Klassisches Beispiel, du flitzt schnell bei Rot über die Ampel, dein Kind soll aber lernen, immer bei Rot stehen zu bleiben. Wie soll das funktionieren?

Schreie nicht durchs Haus, wenn dein Kind irgendetwas machen soll, sondern nehme Kontakt mit deinem Kind auf, wenn du etwas von ihm  möchtest. Gehe hin, fasse das Kind an den Arm/die Schultern, spreche es direkt mit Namen an und teile ihm z.B. mit, das es dir doch bitte jetzt beim Tischdecken helfen soll. So durchdringst du seinen persönlichen Schutzraum, der das Kind vor all den außerlichen Eindrücken schützt, damit es ganz im Spiel die Welt entdeckt.

Lasse dein Kind Erfahrungen machen. Natürlich meine ich nicht, das du es bewusst in gefährliche Situationen lotzt. Aber ein Kind lernt manchmal auch einfach daraus, das etwas heiß ist, wenn es auf die Herdplatte langt, obwohl du mehrmals gesagt hast, Achtung, es ist heiß.

Meine Hebamme hat uns mal gesagt – ein Kind benötigt ganz viel Liebe und ein klein wenig Konsequenz, um gesund und stark groß zu werden. Und da ist wirklich was Wahres dran.

Ich bin gespannt auf deine eigenen Erlebnisse und Erfahrungen oder den ein oder anderen guten Tipp. Schreib mir gerne, ich freue mich wirklich von dir zu lesen.

Alles Liebe und viel Spaß mit deinen Kindern,

deine Svenja, Fachkinderkrankenschwester, Osteopathin, Heilpraktikerin und 3-fache Mama

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Svenja Höse

Kinderkrankenschwester, Heilpraktikerin
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