Wieviel darf ein Kind mitbekommen?

von Svenja Höse

Wenn das geliebte Tier gehen muss…

Heute ein Beitrag von mir aus aktuellem Anlass. Wir haben plötzlich unsere geliebte Katze einschläfern lassen müssen. 🙁 Sie war an Brustkrebs erkrankt und hatte sich die letzten Tage massiv verschlechtert. Trotzdem hatte ich auf dem Weg zum Tierarzt niemals damit gerechnet, so schnell von ihr Abschied nehmen zu müssen.

Meine 7-jährige Tochter als Tierliebhaberin wollte unbedingt mit in die Tierklinik und begleitete mich und unsere kranke Katzendame.

So bekam sie nun auch Alles mit – die besorgten Blicke des Arztes, die Narkose, um gut Röntgen und Untersuchen zu können, die ernste Diagnose und die dringende Empfehlung, sie zeitnah zu erlösen.

Sie sah meine Tränen, sie hörte meine eiligen Versuche ihren Papa – meinen Mann zu erreichen. Sie sah unsere kranke, an der Beatmungsmaschine hängende Mitz, in einem sterilen Tierklinikzimmer.

Sie war auch dabei, als unser Liebling erlöst wurde und den letzten Atemzug tat…

Wir durften uns danach mit unserer Katzendame in ein Nebenzimmer auf eine Matte kuscheln und dort in Ruhe Abschied nehmen.

Unsere liebe Katze

Ein besonderer Moment

Bei all den akuten und plötzlichen Ereignissen – ich bin sehr dankbar für diese ruhige Zeit des Abschied nehmens in diesem Nebenzimmer mit meiner Tochter. Wir kuschelten uns nah zusammen, ich hielt unsere Katze im Arm, wir streichelten sie, weinten zusammen aber führten auch schöne Gespräche, wie die Zeit mit ihr so war und was mit ihr nun geschehen wird.

War es gut, das meine Tochter dabei war?

Meine Tochter trauerte sehr stark. Abends im Bett flossen die Tränen, sie vermisste unsere Katze so sehr. Sie weinte aber nicht, weil sie Alles mitbekommen hatte, sondern, weil sie dadurch sofort mit dem Tod konfrontiert war, ihre Katze war nicht mehr da, es war ihr diese Endlichkeit ganz klar bewusst gemacht worden.

Wir mussten sie erstmal in der Klinik zurück lassen, die große Hitze und das überraschende Einschläfern lies ein direktes Mitnehmen leider nicht zu. Das war schlimm für uns Beide.

Ich glaube, für sie war es wichtig und richtig, dabei gewesen zu sein. Es war für sie trotz all der Trauer eine wertvolle Erfahrung. Ich habe sie Tage später gefragt, ob es für sie schlimm war, dabei gewesen zu sein. Sie verneinte, sie war sehr glücklich „auf Wiedersehen“ sagen zu dürfen.

Wie war es früher?

Mein Seelenkater

Ziemlich genau vor 2 Jahren musste mein Seelenkater mit 14 Jahren nach einer schweren Nierenerkrankung gehen, hier war keiner unserer Kinder beim Einschläfern direkt dabei, aber trotzdem haben alle Kinder vorher Abschied nehmen dürfen. Mein großer Sohn – damals so alt wie meine Tochter jetzt –  trauerte ebenfalls sehr stark, er weinte, dass es einem das Herz brach. Damals war meine Tochter gerade 5 Jahre alt. Auch sie weinte, aber eher nüchterner, neutraler. Sie war mehr interessiert an den Fakten. Was passiert nach dem Tod in der Erde. würde man unseren Kater wieder ausgraben können, wie sähe er aus nur mit Fell und Knochen. Jetzt begreift sie es richtig.

Unser Jüngster war damals erst wenige Monate alt und auch jetzt merkt er zwar, dass etwas anders ist und wir alle aufgewühlt sind, aber verstehen kann er davon noch wenig.

Und unserem großen Sohn haben wir es diesmal erst abends sagen können, als er von der Jugendgruppe kam. Er wusste zwar, dass wir zum Tierarzt mussten, weil es unserer Katze schlecht ging, aber sonst hatte er gar nichts mitbekommen. Es war also auch für ihn völlig überraschend. Er nahm es erstmal relativ gelassen auf – so, als würde er es noch nicht realisieren. Als wäre nichts passiert. Am Tag darauf kamen erste Fragen: wie sie eingeschläfert wurde und um welche Uhrzeit. Ich glaube, dass das tiefe Trauern die nächsten Tage noch kommt.

Was ist unsere Aufgabe als Eltern?

Die Trauer zulassen und allen Gefühlen Raum geben. Egal wie stark, egal wie lange, Kinder sollen trauern dürfen, so viel wie sie brauchen und wollen. Sie sollen alle Fragen stellen dürfen und ehrliche Antworten bekommen. Sie sollen alles frei entscheiden dürfen und sich aber auch schützen dürfen. Unsere Kinder sind nicht da um uns Erwachsene zu trösten. Aber sie dürfen auch mitkriegen, wenn es uns selbst schlecht geht.

In unserer Familie ist Offenheit und Raum für Gefühle sehr wichtig. Nichts ist schlimmer, als einem Kind seine Fragen unbeantwortet zu lassen oder gar Lügengeschichten zu erzählen. Oder es mit Aussagen wie „das geht dich noch nichts an“, oder „dafür bist du noch zu klein“ abzuschieben und dadurch mit seinen Fragen und Gefühlen im Stich zu lassen.

Als Kinderkrankenschwester habe ich schon sehr viel gesehen. Nicht nur schwerkranke Kinder, auch verschiedenste Elterntypen. Und so gab es tatsächlich auch Eltern, die ihrem eigenen Kind verschwiegen, dass es todkrank ist. Es anlogen und Fragen nicht beantworteten. Dem Kind trotz des Gefühls, das etwas mit ihm nicht in Ordnung ist alle Diagnosen und vorallem Prognosen vorenthielten. Nicht nur kleinen Kindern, sondern sogar Teenagern…

Kinder sind sehr feinfühlig.

Kinder haben sehr feine Antennen. Kinder wissen genau, wann ihre Welt in Ordnung ist und wann nicht.

Du hast es vielleicht selbst schon gemerkt, bist du traurig oder gestresst ist dein Baby auf einmal viel anstrengender und unruhiger. Weil es spürt, das es dir nicht gut geht und irgend etwas nicht in Ordnung ist.

Also sei ehrlich zu deinem Kind. Sei offen und beantworte seine Fragen. Erkläre soviel wie nötig. Kinder haben einen guten Schutzmechanismus. Wenn ihnen etwas zu viel, zu anstrengend oder zu langweilig wird schalten sie ab und wenden sich anderen Dingen zu. Dann merkst du, das dein Kind gar nicht Mehr wissen mag oder sich vor Unangenehmen schützt. Achte auf diese Signale.

Wir schmunzeln zuhause immer darüber. Wir erklären gerne und viel. Wenn also eines unserer Kinder etwas über Gott und die Welt wissen will erklären wir ihnen, was wir selbst zu dem Thema wissen. Und wenn es nur die Entstehung eines leckeren Eises in der Fabrik ist. Doch es gibt sie tatsächlich, diese Momente, wo das Kind auf einmal mitten drin andere Fragen stellt, komplett das Thema wechselt, sich anderen Dingen zuwendet. Und das ist ein eindeutiges Signal- hey, Mama, ich habe alles gehört, was mich interessiert, es reicht jetzt.

Der Tod gehört zum Leben dazu

Und gebe deinem Kind die Möglichkeit, alles zum Tod und Sterben zu erfahren, was es interessiert. Bist du gerade nicht in der Lage dazu, dann vermittle deinem Kind, das es dir gerade nicht gut geht, du aber gerne die Fragen etwas später beantwortest. So hat dein Kind die Sicherheit gehört zu werden.

Und wenn du jemand bist, der nicht gerne erklärt, der den Tod als bedrohlich ansieht und es dir sehr unangenehm ist, darüber zu reden – es gibt ganz tolle Kinderbücher auch schon für die Kleinen, die das Thema Tod und Sterben sehr kindgerecht erklären. Vielleicht fällt es dir damit leichter. Denn möglicherweise kommt dieses unangenehme Gefühl in dir genau daher – du wolltest als Kind mehr dazu wissen, doch vielleicht konnten deine eigenen Eltern mit deinen Fragen und Gefühlen ebenfalls nicht umgehen. Sie vermittelten dir also unbewusst, das der Tod etwas ganz Schlimmes sein muss und man dieses Thema lieber unter den Teppich kehrt oder totschweigt. So entstand in dir eine große Unsicherheit. Tief verankert bis ins Erwachsenenalter.

Aber diese Fragen werden kommen – bei jedem Kind. Ob es nun um ein Haustier geht, das sterben muss, oder ein naher Angehöriger. Oder manchmal auch in ganz komischen Situationen. Meine Tochter fragte vor einigen Jahren mal mitten beim Mittagessen, ob denn Fischstäbchen schreien, wenn sie zu Fischstäbchen geschnitten werden.  Ja, ich gebe zu – ich ass dann nicht mehr so gerne weiter. Doch war es hier ganz richtig, kindgerecht zu erklären, das ein Fisch, wenn er tot ist keine Schmerzen mehr hat, und er ohne Probleme in Scheiben geschnitten werden kann. Und das reichte meiner Tochter damals auch schon.

Kinder lernen die Welt nur zu verstehen, wenn sie Erklärungen bekommen.

Das Schlimmste ist – sie mit ihren Fragen und Gefühlen allein zu lassen.

Wie geht es bei uns weiter?

Wir haben nun unsere hübsche Katzendame zu uns nach Hause geholt und sie  bei unserem Kater im Garten beerdigt. Die Kinder durften – wenn sie das mochten – dabei sein. Sie haben ein Bild gemalt, das wir mit ins Grab gelegt haben und jeder hat ein hübsches Blümchen ausgesucht, das wir darauf pflanzten.

Unser großer Sohn wollte sie noch einmal kurz sehen, mochte aber bei der Beerdigung nicht dabei sein. Meine Tochter trug sie zum Grab, half beim vergraben, dekorierte das Grab mit den Blumen und ein paar Steinchen und Kerzen –  sie nahm so intensiv Abschied und fand für sich so die Ruhe, um mit ihrer Trauer und dem Verlust einen guten Weg zu finden.

Und durch das Grab haben wir für uns alle einen tollen Ort gefunden, an dem alle Gefühle und Geschichten erlaubt sind.

Unser Grab für unsere beiden Fellnäschen

Heute habe ich auch wunderhübsche kleine Gedenksteine und Urnen gesehen, die Leute für ihre toten Tiere im eigenen Zuhause stehen haben. Auch das ist eine tolle Idee. Ansonsten such dir für deine Familie einen Ort, an dem Trauer möglich ist. Und wenn es auch nur ein hübsches Bild des verstorbenen Tieres oder des geliebten Menschens an der Wand ist.

Sie ist jetzt in Katzenhimmel

Uns hilft es auch sehr uns auszumalen, wo denn der verstorbene Mensch oder das Tier nach dem Tod dann hinkommt. Für mich gibt es einen Himmel. Dort muss niemand mehr Schmerzen leiden, jeder hat Spaß und Freude und ist nicht mehr allein.

Vielleicht hast du eigene Vorstellungen von dem Leben nach dem Tod. Alles ist erlaubt, alles ist in Ordnung. Hauptsache, jeder in deiner Familie hat das Recht und den Raum, seine eigene Welt zu haben und eigene Erklärungen und Bilder zu schaffen.

Ich wünsche dir und deiner Familie eine schöne Zeit. Und wenn du auch gerade selbst trauerst mit deiner Familie, dann wünsche ich dir ganz viel Kraft und nimm dir alle Zeit, die du brauchst.

Mir half einmal folgender Spruch sehr gut. Damals hatte ich mit 18 Jahren mein Meerschweinchen verloren, nach 7 langen und wundervollen Jahren. Es brach für mich damals eine Welt zusammen. Meine Mama gab mir diese Worte auf den Weg:

Nicht trauern wollen wir, weil wir dich verloren haben, sondern glücklich sein, das wir dich gehabt haben. (gekürzt von Hieronymus)

Und das bin ich – glücklich und dankbar für jedes Lebewesen, jeden Menschen, jedes Tier, das mich in meinem Leben begleitet bzw. begleiten durfte.

Alles Liebe

Deine Svenja, Fachkinderkrankenschwester, Osteopathin und Heilpraktikerin und 3-fache Mama

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Svenja Höse

Kinderkrankenschwester, Heilpraktikerin
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